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Der vorliegende Münztyp, der früher nur aus einem Gipsabguss im Britischen Museum bekannt war, wurde zunächst für eine Fälschung angesehen. Im Jahr 2000 wurde allerdings in Indien und zwar in dem Dorf Vaisali (Distrikt Muzaffarpur, Bihar) ein Fund von 500-1000 Stateren aus der Gründungszeit des baktrischen Reich gemacht (vgl. Triton VII (2004) S. 168 mit einer Einführung von B. Kritt; B. Kritt, New Discoveries in Bactrian Numismatics, Lancaster 2015, S. 1ff.; O. Bordeaux, Les Grecs en Inde, 2018, 23). Nach der überwiegenden Ansicht trägt die Münze das Porträt von Diodotos I, allerdings unter dem Namen des seleukidischen Herrschers Antiochos II. Eine neuere Ausfassung schreibt die Münze einem bisher nicht bekannten Herrscher, Antiochos, zu, der zwischen Diodotos I, dem Gründer des baktrischen Reichs, und seinem Sohn, Diodotos II., regiert haben und von Euthydemos I besiegt worden sein soll (Chenyu David Zeng, Some notable die-links among Bactrian Gold Staters, NC 173 (2013) 73-78). Auf vielen Münzen des Fundes befindet sich - wie auf dieser Münze - ein Einhieb, der stets auf den Hinterkopf platziert ist, und vermutlich von einer offiziellen Stelle aus bisher unbekannten Gründen angebracht wurde. Damit ist die ebenfalls unbeantwortete Frage verbunden, ob die Münzen durch den Fernhandel oder militärische Aktionen so weit in den Osten kamen.
Baktrien
Gewichtstandard, Nominalsystem,Chronologie
Die baktrische Münzprägung fasziniert wegen der globalen Begegnung der Kulturen. Diese findet ihren Ausdruck besonders in den unterschiedlichen Gewichts- und Nominalsystemen. Man unterscheidet zwischen der griechisch-baktrischen und der indo-griechischen Münzprägung.
Das griechisch-baktrische Währungssystem folgte dem attisch-seleukidischen Standard und hatte Legenden in griechischer Schrift. Die Münzen liefen im Oxus-Tal und in Sogdiane, also nördlich des Hindukusch um. Es gab als Nominale die Tetradrachme à 16,80 g, die Drachme, die Hemidrachme und das Obol. Dazu kamen Bronzemünzen, die als Chalkous, Dikalchon und Tetrachalkon angesehen werden können. Höhepunkte der griechisch-baktrischen Münzprägung waren der 20-fache-Goldstater des Eukratides (170-145 v. Chr.) und die Doppel-Dekadrachme attischen Standards des Amyntas (95-90 v. Chr.).
Die indo-griechischen Münzen folgten dagegen dem indischen Gewichtsstandard, hatten eine zwei-sprachige Legende (griechisch auf der Vs. und kharoshti oder brahmi auf der Rs.) und liefen im Süden des Hindukush um. Die Tetradrachme wog 9,80 g, die Drachme 2,45 g und die Hemidrachme 1,22 g. Die Bronzemünzen folgten lokalen Gewichtssystemen und hatten einen rechteckigen Schrötling. Bronzemünzen wurden zuerst unter Agathokles (190-180 v. Chr.) mit Bildern hinduistischer Götter in Taxila geprägt. Nur wenig später wurden auch zweisprachige, rechteckige Drachmen und schließlich ab Eukratides (170-145 v. Chr.) auch zweisprachige Tetradrachmen indischen Gewichts ausgegeben.
Die antiken literarischen Quellen sind, was die Münzpgrägung in Baktrien betrifft, weder zahlreich noch ergiebig. Aus den Funden ist zu entnehmen, daß schon in archaischer Zeit griechische Münzen nach Baktrien kamen. In dem Shaikhan Dehri Hoard 2007 von Pushkalvati, heutiges Pakistan, befand sich eine Tetradrachme von Athen aus der Zeit von 500/490-485/0 v. Chr.( Triton XV(2012)1163). In jedem Fall bilden die Münzen die wichtigsten Zeugnisse aus der mit Alexander dem Großen beginnenden, dreihundertjährigen Geschichte der Griechen in Baktrien. Aus ihnen läßt sich der Machtübergang von den Seleukiden und die Folge der ersten baktrischen Herrscher - Diodotos I und II, Antiochos (?), Euthydemos - ablesen. Die Münzkunst erreichte in der ersten Hälfte des 2. Jh. eine im Hellenismus unvergleichliche Qualität mit lebensvollen Porträts der Herrscher Euthydemos, Demetrios, Agathokles, Antimachos und Eukratides und - in drei bedeutenden Serien - auch deren Vorgänger.
Die Verdrängung der Griechen durch die von Norden eindringenden Nomaden, die Eroberung großer Teile Indiens unter Menander (150-130 v. Chr.) und schließlich die Auflösung des griechisch-baktrischen und griechisch-indischen Reichs spiegeln sich in den Münzen wider. Die Auswirkungen der griechischen Münzprägung auf das Kushan-Reich läßt sich dem riesigen Fund von Mir Zakh, insbesondere dem hohen Anteil posthumer Prägungen, entnehmen: mit rd. 550.000 Münzen der größte Münzfund der Antike.
Literatur: M. Mitchiner, Indo-Greek and Indo-Scythian Coinage, London 1975/1976; O.Bopearachchi, Monnaies Gréco-Bactriennes et Indo-Grècques, Paris 1991; O.D. Hoover, The Handbook of Greek Coinage Series Volume 12, Coins of Baktria and Ancient India, Lancaster/London 2013; F. Holt, Thundering Zeus, Berkeley 1999; B. Kritt, Dynastic Transition in the Coinage of Bactria, Lancaster 2001; C.D. Zeng, Some Notable Die-links among Bactrian Gold Staters, NC173(2013)73-78; R. Curiel/G. Fussmann, Le trésor monétaire de Qunduz, Paris 1985; P. Bernard, Fouilles d`Ai Khanoum IV, Les Monnaies hors trésors, Paris 1985; P.F. Mittag, Methodologische Überlegungen zur Geschichte Baktriens, SNR 85(2006)27; P.F. Mittag, Geschichte und Münzprägung Baktriens von den Seleukiden bis zum Ende der graeco-baktrischen Herrschaft, in G. v. Lindström (Hrg.), Zwischen Ost und West: neue Forschungen zum antiken Zentralasien, Darmstadt 2013, 115-124; D. Bellinger, Das griechische Erbe am Hindukush - Geld erzählt Geschichte, Die Bank Heft 5/2009 S. 24-27;W. Posch, Baktrien zwischen Griechen und Kuschan, Wiesbaden 1995;O. Bopearachchi, L`apport des surfrappes à la réconstruction de l`histoire des Indo-Grecs, RN 164(2008)245; O.Bopearachchi/Ph. Flandrin, Le portrait d`Alexandre le Grand, Ed.de Rocher, Paris 2005 ( Rezension S. Hurter SNR 85(2006) 185-193; R.C. Senior/D.M.Donald, The Decline of the Indo-Greeks, Sommerset 1998; J. Cribb, The end of Greek coinage in Bactria and India and its evidence for the Kushan coinage systems, in Studies Price, London 1998, S.83-98; J. Cribb, Die Chronologie Gandharas anhand der Münzen, Katalog der Gandhara-Ausstellung der Bundeskunsthalle Bonn 2009, S. 64-69; Olivier Bordeaux, Les Grecs en Inde. Politiques et pratiques monétaires, Bordeaux 2018.